Regensburg, 20.08.1967
In den Sommerferien 1967 besuchte die ganze Familie eine Tante in Regensburg. Wir übernachteten dort ein paar Tage. Zum ersten Mal erlebten wir bewusst einen Großstadtbahnhof. Wir waren fasziniert von der großrädrigen 01, die wir nur von Märklin-Katalogen kannten; eine P 8 hatten wir ebenfalls zuvor nie gesehen. Unsere fotografischen Fähigkeiten und Möglichkeiten allerdings steckten noch in den Kinderschuhen. Fahrenden Lokomotiven waren wir ohnehin nicht gewachsen, aber auch bei stehenden gab es Probleme ......
..... wir wussten zwar, dass man die richtige Entfernung abschätzen und sie anschließend an der "Isolette" bzw. der "Silette" entsprechend einstellen musste. (Aber auch das klappte nicht immer --> siehe die 01 auf der Brücke). Der Zusammenhang zwischen Belichtungszeit und Blende war uns allerdings weniger klar. Von unserem Vater hatten wir gelernt: 1/100 sec - die Sonne lacht: Blende 8. Von Filmempfindlichkeit wussten wir nichts - es waren meist 17 DIN-Filme, die wir verwendeten. Die zu langen Belichtungszeiten, die wir oft wählten (1/25 oder 1/50 sec), waren unserer Aufgeregtheit und Begeisterung nicht gewachsen und folglich sind viele Anfangsbilder verwackelt. Wir nahmen an, je geringer die Blendenöffnung sei, umso "schärfer" werde das Bild. Mit dem Begriff "Tiefenschärfe" konnten wir noch nichts anfangen. Und trotzdem war die Bahnatmosphäre der für uns damals großen weiten Welt einfach nur spannend und abenteuerlich. (Man musste damals sogar "Eintritt" bezahlen, um diese Sphären schnuppern zu dürfen: eine Bahnsteigkarte, die aussah wie ein Fahrkarten-Billet, kostete 10 Pfennige). Als wir unsere fotografischen Ergebnisse dann sahen, dämmerte es uns und wir waren einen Schritt klüger. Im Foto-Quelle-Katalog bestellten wir ein einfaches Stativ, einen Drahtauslöser und einen Selen-Belichtungsmesser. Wir wollten ja in Zukunft "professionelle" Arbeit leisten.
Besonders aufregend war das Fotografieren der Weidener 38 2279, die im Bw-Bereich nach ihrer Fahrt restauriert wurde. Wir schlichen uns an das Objekt heran, stiegen erstmals illegal über Fernverkehrsschienen (wir waren von der völlig falschen Seite gekommen) und hofften, nicht entdeckt zu werden. Auf Papparazzi-Art gelang uns dann durch die Öffnungen eines Maschendrahtes hindurch spätabends ein erstes Foto einer P 8. Dass das Bild stark unterbelichtet ist, änderte nichts am Gefühl, eine solch seltene Maschine auf Zelluloid gebannt zu haben.
Nicht weniger berauscht waren wir von der 01 058 vor ihrem D-Zug nach Hof im Regensburger Bahnhof. Vor der Abfahrt standen wir enorm beeindruckt vor den mächtig großen Treibrädern. Der Hinweis der Eltern, besonders die beiden Jüngeren sollten nicht zu dicht an die Lok herangehen, wurde weitgehend ignoriert. Wir wollten möglichst nah am Geschehen sein, wenn sich die riesige Lok in Bewegung setzte. Waren wir dann auch. Vorher hatten wir noch ein leicht verwackeltes Bild "geknipst", dann öffnete der Lokführer die Zylinderhähne. Die Mutter war mit dem Jüngsten inzwischen in einiger Entfernung geblieben. Der Vater und seine Söhne dagegen hatten mutig die Stellung gehalten. Beim Losfahren war der ganze Bahnsteig in Dampf gehüllt, und als sich dieser verzogen hatte, mussten die tapferen Herren feststellen, dass aus dem Schornstein der Lok nicht nur Dampf, sondern viele kleine, nasse Rußpartikel entwichen waren, die unsere weißen Nyltest-Sonntagshemden (hießen diese unangenehmen Dinger wirklich so?) gesprenkelt hatten. Mutter war entsetzt und prophezeite, dass dieser Dreck niemals mehr herausgehen würde aus den guten, teuren Nyl................. . Sie hat Recht behalten.