Sonderfahrt württ. T 3, 18.10.1970
Im Oktober 1970 waren wir erstmals Teilnehmer einer Sonderfahrt. Wir fuhren zwar nicht selbst mit dem "Zügle" mit, erlebten aber als Außenstehende, die mit einem Planzug nach Herrlingen gefahren waren, das Drumherum einer solchen Veranstaltung. Zuglok des Sonderzuges aus sechs zweiachsigen Wagen, die z. T. aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg stammten, war die in Heilbronn im Jahr 1912 gebaute württembergische T 3 mit der Nummer 888 ...
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... die dreifach gekuppelte Nassdampflokomotive war für die Königlich-Württembergischen Staatseisenbahnen für den Dienst auf Nebenstrecken, für den Verschubdienst und als Nachschiebe-Lok auf Steigungsstrecken gebaut worden. Bei der Umzeichnung auf Reichsbahn-Nummern erhielt die 888 die neue Bezeichnung 89 407. Die ersten 13 Jahre gehörte die Maschine zum Bw Friedrichshafen, danach bis zu ihrer Ausmusterung im Jahr 1936 zum Bw Stuttgart-Rosenstein. Anschließend wurde die Lok an die WN (Württembergische Nebenbahnen) verkauft und erhielt die Nummer WN 6. 1940 allerdings erfolgte ein weiterer Verkauf, diesmal an das Städtische Gaswerk Stuttgart, wo die Dampflokomotive nach einer gründlichen Überarbeitung als Lok Nr. 3 bis Ende der 1960er Jahre in Betrieb stand. Bei ihrer Sonderfahrt am 18. 10.1970 gehörte sie bereits der 1962 gegründeten deutsch-schweizerischen EUROVAPOR und wurde von ihr bis 1976 als aktive Museumslok eingesetzt. Das Ausgühen der Feuerbüchse aufgrund von Wassermangel im Kessel beendete den Einsatz der T 3 als aktive Museumslok und zwang sie auf einen Denkmalsockel. Inzwischen ist sie in der Obhut des SEH (Süddeutsches Eisenbahnmuseum Heilbronn).
Wir standen dem "Treiben" am 18. Oktober 1970 etwas verwundert gegenüber. Alleine der Zustand der Lokomotive hatte etwas Merkwürdiges. Wir waren bislang Dampfloks gewohnt, die nur selten im neuen Glanz strahlten; eher waren es rußige, ölige Arbeitstiere, deren Rot kaum noch wahrnehmbar war, je länger der letzte AW-Aufenthalt zurücklag. Die 888 dagegen war eine bunte Lok mit grünem Führerhaus und ebensolchen Wasserkästen, roten Rädern und schwarzem Kessel. Auch ihre Größe und die von ihr gezogenen Wägelchen erinnerten mehr an eine Spielzeugeisenbahn. Ungewohnt waren auch die vielen Menschen, die sich an den Endbahnöfen (Ulm und Herrlingen) tummelten und etwas chaotisch über die Schienen oder sich gegenseitig vor die Linse liefen, was durch heftigen Ärger mit entsprechendem Geschrei quittiert wurde. Solches Verhalten kannten wir nur in sehr viel kleinerem Rahmen von uns selbst, wenn der eigene Bruder einem ein Motiv "versaute". Hier allerdings entluden sich bei manchem wie wild fotografierenden Eisenbahnfreund offensichtlich angestaute Aggressionen auf Gleichgesinnte. Sonderfahrten wurden von da an - und bis heute - nicht unbedingt unser Ding. Es ist ehrenwert und verdient uneingeschränkte Anerkennung, dass sich Vereinsmitglieder um die Erhaltung von einsatzfähigen Museumsfahrzeugen bemühen; und das Mitfahren mit solchen Zügen ist vor allem für die Jüngeren ein eindrückliches (Familien-)Erlebnis. Aber von einer solchen Fahrt, meist noch in großer Hektik und mit wenig Rücksichtnahme, hunderte von Fotos zu machen, entspricht nicht dem Geist einer solchen nostalgischen "Oldtimerfahrt" in die viel beschworene gute, alte, vermeintlich stressfreie Zeit und kann die Atmosphäre des Regelbetriebes, wie er heute noch zumindest ansatzweise zum Beispiel auf den Strecken der Harzer Schmalspurbahnen geboten wird, nicht wirklich ersetzen.
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